Dienstag, 22. Mai 2007

Mitternacht Teil 8

...
Es war für ihn jedes mal traurig mitanzusehen,
wenn ein Grab nicht per Hand ausgehoben wurde.
Er fand es unwürdig und unpersönlich gegenüber
dem Hinterbliebenen.
Sein Sohn sah nur das Geld.
Ein Grab mit dem Bagger ausgehoben kostet
ihm weniger und macht ihn konkurenzfähiger,
hatte er mal gesagt. Immer nur das Geld vor
Augen vergaßen die alten Bestattungsunternehmer
die Würde und die Ehre, die dieser Beruf eigentlich
mit sich brachte und fixierten sich auf den Gewinn.

Die Zeiten hatten sich geändert, Michael Cunningham
war gleich geblieben, ein Relikt aus älteren Tagen,
mit anderen Wertvorstellungen und Träumen.
Er war überflüssig geworden, das ließ ihn sein
Sohn immer wieder spüren.
Doch er fühlte, dass er richtig war. Jetzt, in diesem
Moment, als er diesem schrecklichem Geräusch auf
die Spur ging, tat er etwas gutes, richtiges.
Es erfüllte ihn mit Stolz.
Aber auch mit Angst.

Er konnte sie langsam an seinem Bein hochkrabbeln
spüren, diese lähmende Furcht vor dem Unbekannten.
Etwas, das er nicht kannte, passierte hier.
Etwas, mit dem er nicht umgehen konnte.
und das beunruhigte ihn zutiefst.

Langsam drehte er sich im Kreis, um zu erkennen
aus welcher Richtung oder welcher Gruft nun dieses
Kratzen kam. Er konnte die Richtung immer noch
nicht bestimmen.
Schließlich beschloss er aufs geratewohl loszugehen
und zu sehen, ob dies die richtige wahr.

Er tat den ersten Schritt in Richtung McMullan Gruft
und stolperte dabei fast über eine Wurzel.
Auch wenn er nicht mehr der Schnellste war und
seine besten Tage schon hinter sich hatte, konnte
er sich doch noch rechtzeitig auffangen.

Er stütze sich auf seine Schaufel und atmete tief
durch, bevor er den nächsten Schritt machte.
Mit seiner Laterne begann er, den Boden auszuleuchten
und ging langsam weiter.
Er entfernte sich von dem Kratzen. Er konnte es
schon nach dem ersten Schritt hören, noch bevor
es eigentlich wirklich leiser wurde.
Michael Cunningham wusste es, schon in
dem Moment, als er beschloss in diese Richtung zu
gehen.

Er konnte es sich nicht erklären, doch tief in
seinem Inneren spürte er wohin er gehen musste.
Doch es gefiel ihm nicht.
Es gefiel ihm ganz und gar nicht.

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