Donnerstag, 26. April 2007

Mitternacht Teil 4

...
Er hatte zwar Geschichten gehört in der die Toten,
wenn sie wieder aufstanden stöhnend und klagend herum
wandernd und sich an den Lebenden rächen.
Doch jeder Totengräber zimmert sich seine eigene
Geschichte zu den lebenden Toten zurecht und in
Cunninghams Vorstellung waren die Geister stumm.
Stumme, untote Leiber, die ihren Weg ins Jenseits noch
nicht gefunden haben, oder noch hier sind
um sich an ihren Mördern zu rächen.

Er näherte sich dem Friedhof nur langsam, doch konnte er
bereits die Kälte spüren die von den Toten in ihren
Gräbern ausgeht. Diese eisige Stille, die sich in das
Gebein der Lebenden schleicht entsteht nur nachts,
wenn der Mond sich hinter den Wolken versteckt und
kein Stern zu sehen ist.

Bei Tag oder bei mondklaren Nächten liebte er seinen
Friedhof. Die stillen Gräber strahlen dann eine Ruhe aus, die
jeden Ansteckt. Man kann auf dem Friedhof nicht laut
reden, die Ruhe steckt einen regelrecht an.
Doch wenn der Mond verschwindet und sich der Nebel
über das Gräberfeld legt zeigen sich die bösen Seiten.
Es wird bedrohlich und düster und die Kälte kriecht
aus allen Ritzen.

In solchen Nächten geht Michael Cunningham nicht gerne
dorthin. Er versucht ihn wenn möglich zu meiden,
doch heute hatte ihn eine bisher ungekannte Neugier
erfasst und so schritt er langsam weiter durch die
pechschwarze Nacht
...

Mittwoch, 25. April 2007

Mitternacht Teil 3

...
Doch es kam eindeutig aus der Richtung des Friedhofs.
-Unmöglich vom Friedhof selbst- dachte er sich - das müsste
ja dann dort unbeschreiblich laut sein-
Zögernd machte er den ersten Schritt in Richtung des
Gräberfelds. Der erste Schritt war immer der schwerste.
Wenn er erst einmal geschah, fielen einem die weiteren
schon leichter. Das war zumindest Cunninghams Erfahrung,
doch diese sollte sich diesmal nicht bewahrheiten.
Mit jedem Schritt den er in Richtung der Ruhestätte
machte wurde das Gewicht um seinen Magen schwerer.
Er hatte Angst.

Er hatte das Haus nun vollständig hinter sich gelassen und tauchte
gänzlich in die Dunkelheit der Nacht ein, gegen die seine
kleine Laterne mit dem Mut der Verzweiflung ankämpfte.
Es war ein ungleicher Kampf und die Aussichten auf Erfolg
waren verschwinden gering. Weiter als zwei Meter schaffte es
das Licht nicht, bevor es von der Nacht aufgesogen und verschluckt
wurde. Die zwei Meter reichten Cunningham zwar, sich zu
orientieren, doch sehen konnte er damit nicht viel.
[i] kratz, kratz [/i]
hörte er das verdammte Geräusch immer lauter, doch nicht
laut genug um wirklich in der Nähe zu sein. In Abwesenheit
des Lichts und seiner Sehfähigkeit schienen seine anderen
Sinne geschärft zu sein. Er roch jetzt das modrige Moos auf dem er
ging und hörte jedes Geräusch.
Das hieß, er hörte eigentlich nur sich und dieses verfluchte
Kratzen. Er stutzte und blieb stehen.

Er versuchte neben dem Geräusch das ihn geweckt hatte noch
andere Laute der Nacht zu erlauschen. Es waren keine da.
Keine Eule schrie, keine Grille zirpte und er hörte weder Stechmücken
noch Schnaaken, die in dieser Gegend, so nahe am Sumpf
in ganzen Kampfgeschwadern unterwegs waren.
Es schien als ob diese verdammte Dunkelheit alles Lebende
vertrieben hatte und nur die Toten noch wandeln.
Und die Toten machen keine Laute.
...

Montag, 23. April 2007

Mitternacht Teil 2

... Schließlich fand er sie irgendwo unter seinen anderen
Gerätschaften. Kurz zögerte er noch, dann griff er auch nach
einer seiner Schaufeln und nahm sie mit, um sich damit
behelfsmäßig zu bewaffnen.
Hätte ihn jetzt jemand gesehen, er wäre schreiend davongelaufen,
wenn er den Totengräber in seinem langen und schon sehr alten
Mantel, mit Pantoffeln an den Füßen, der Sturmlaterne in der
einen, die Schaufel in der anderen Hand gesehen hätte.
Das schüttere, graue Haar stand wirr von seinem Kopf ab und
unter seinen Augen hatten sich dunkle Ringe gebildet.
Die Narbe auf seiner rechten Wange machte das Bild komplett
und verwandelte ihn in die Hauptfigur eines
kindlichen Alptraumes vom Butzemann.

Michael Cunningham kümmerte das nicht.
Er hatte nicht vor lange draußen zu bleiben und rechnete
nicht wirklich damit, jemandem zu begegnen. Er trat
aus der Tür und spürte die kalte, dunstige Nachtluft.
Er atmete tief durch, sog die Kühle in sich ein, die seine
Lebensgeister weckten, während er darauf wartete, dass
sich seine Augen an das, von der Laterne erzeugte
Zwielicht gewöhnten.

Der Himmel war wolkenverhangen und verdeckte so
den Sichelmond und die Sterne, sodass außer seiner
Laterne, keine anderen Lichtquellen vorhanden waren.
Vom Wald her kroch der Nebel in einem dichten, niedrigen
Schleier über den Boden, in Richtung Friedhof dahin.
Cunningham lauschte. Das Kratzen war jetzt viel leiser
als vorhin ...

Sonntag, 22. April 2007

Mitternacht Teil 1

Das Geräusch weckte ihn um fünf vor zwölf.
Das dumpfe Kratzen von Fingernägeln auf Holz.
Jenes schreckliche Geräusch mit dem sich Totengräber
immer gegenseitig aufziehen. Das Kratzen von
den Fingernägeln der lebendig Begrabenen auf
den Deckeln der Särge.

Keiner von ihnen hatte es jemals gehört, doch
jeder hatte eine bestimmte Vorstellung davon
wie es sein würde, wenn sie es das erste mal hörten.
Michael Cunningham war nicht darauf gefasst gewesen
es zu hören. Vor allem nicht in seiner Wohnung.
Obwohl sie nahe am Friedhof lag, war es unmöglich
dieses verzweifelte Kratzen zu hören, selbst wenn der
Wind richtig ging.

So schlussfolgerte er, dass es sich um etwas anderes handeln
musste. Trotzdem entschied er sich dem nächtlichen
Ruhestörer auf den Grund zu gehen.
Vermutlich, so dachte er, nur eine dieser dämlichen Nachbarskatzen
die um diese Zeit nichts besseres zu tun hat als an irgendeiner
scheiß Tür zu scharren und damit unschuldige Totengräber
aus ihrem wohlverdientem Schlaf zu reißen.

Er machte die Lampe an und zog seine Pantoffel an,
es war furchtbar kalt ausserhalb des Bettes und er fror.
Cunningham nahm den Mantel vom Hacken und
suchte nach seiner Sturmlaterne...

[Fortsetzung folgt...]

Montag, 16. April 2007

Der Tag der Gerechten

Der Staub deckte die ganze Szenerie mit einem dichten
Schleier ein, der es jedem Zuseher unmöglich machte
zwischen Freund und Feind zu unterscheiden.
Nicht dass es in diesem Moment noch von Bedeutung
gewesen wäre. In dieser Phase des Kampfes
war es für Schaulustige egal wer gerade die
Oberhand hatte. Wichtig war nur, dass Blut floss.
Und bei Gott das tat es.

Der Sheriff hatte seine Männer in einer
erhabenen Phalanx in der Mitte der Hauptstraße
aufgestellt, während sich die Eindringlinge in
einer lockeren Formation näherten.
Die erste Salve hatte die Straße mit einem blauen
Pulverdunst überzogen und die ersten Männer waren
gefallen.
Niemand versuchte, in Deckung zu gehen.

Die erste Salve muss sitzen, hatte der Sheriff seinen
Männern zugerufen. Darauf hatte er selbst das Feuer
eröffnet. Seine Debuties waren dem Beispiel gefolgt
und feuerten aus allen Rohren.
Die erste Reihe der Eindringlinge fiel lautlos, sie waren
die Todgeweihten, das Kanonenfutter, dahinter waren
die wahren Kampfreihen gestanden.
Sofort, als ihre Kameraden zu Boden fielen, hatten
auch sie das Feuer eröffnet.

Unter ihrem schrecklichem Kriegsgeschrei waren
sie auf die Gesetzeshüter losgestürmt.
Die Blutfontänen tränkten die Hauptstraße mit
dem Lebenssaft der Gefallenen.
Der Kampf war in vollem Gange.
Anfangs waren noch viele Schaulustige neben der
Straße gestanden und hatten blutgierig darauf
gewartet, dass die ersten Männer starben.

Doch nachdem sich die Kampfreihen aufgelöst
hatten und die Querschläger in die Frontpartien der
Häuser einschlugen lösten sich die Mengen auf.
Die Leute suchten Schutz hinter Fässern und
Markiesen.

Nach etwa zehn Minuten war das Spiel vorbei.
Die Eindringlinge tot, der Sheriff zwar verwundet,
doch noch am Leben.
Siegreich ließ er ein Geschrei ertönen, das
die Menschen erzittern ließ.
Angst weicht Freude.
Entsetzen weicht Triumph.
Leben weicht dem Tod.