Gefunden
Über 6 Jahre habe ich nun nicht mehr hier rein geschrieben. -
6 Jahre ist eine sehr, sehr lange Zeit. Ich werde mich nicht lange mit Details aufhalten, dieser Blog war immer nur für Geschichten.
Allerdings ein kleines Danke an Jey, die mir einen Prompt dazu gegeben hat. Ja ich sollte viel mehr schreiben. Es ist ja auch was schönes.
Verloren
Prompt: Menschlicher Charakter, Decke, Graffiti, Werbetafel, Autoreifen
Der Wind pfiff hörbar durch die Straßen, nahm Blätter und Müll mit sich, soweit sie sich tragen ließen. Die Blätter etwas weiter, der Müll nicht ganz so weit. Eine leere Konservendose rollte klackernd quer über den Vorplatz des Bahnhofs, getrieben von einer besonders starken Bö.
Sie stieß ein paar leere Patronenhülsen zur Seite und wurde beinahe von einem aufgerissenen kleinen Krater im Asphalt aufgehalten, bis eine weitere Böe sie wieder auf den Weg schickte.
Ihr Etikett war abgerieben und kaum mehr zu lesen. Von ihrem ehemaligen Inhalt zeugten nur noch wenige braune Flecken am Dosenrand, wo emsige Löffel und gierige Finger etwas von ihrer wertvollen Fracht übersehen hatten.
Sie nahm etwas an Fahrt auf als ein weiterer Windstoß sie erreichte, hüpfte, begleitet von einigen trockenen Kastanienblättern über eine mit brüchigen, braunen Flecken übersähte Decke und knallte mit einem lauten KLONG gegen die Hausmauer über der eine alte und kaum noch lesbare Werbetafel angebracht war. „Der n Civi rspaß ne En“ pries das Schild an, dessen Worte seit langer Zeit niemand mehr gelesen und verstanden hatte.
Die Dose wurde von der Wucht ihres Aufpralls zurückgeworfen und landete mit einem RrrrL-L-L-L-L auf ihrem rostigen Boden, Öffnung nach oben, gen Himmel. Wäre die Dose eines Gedanken fähig, sie würde sich über das, was sie sah sehr freuen. Wochenlang hatte es nicht mehr geregnet. Monatelang.
Die ausgetrocknete Erde hatte ihren Atem angehalten, während sich das Schicksal ihrer Bewohner entschied. Gleißend, unerbittlich hatte die Sonne Gräser vertrocknet und Bäume verdorrt. Nun aber schoben sich tiefschwarze Wolken vor die Sonne. Das aufziehende Gewitter schickte seine ersten Vorboten, wie die Windböen, welche die Dose nach langer Zeit erstmal wieder in Bewegung gesetzt hatten.
In Erwartung des erlösenden Regens, stand die Konserve mit der Öffnung zum Himmel, als ein unfreundlicher Kick sie wieder ins Rollen brachte. Ungeschickt und unbeabsichtigt. Das Ergebnis, war das gleiche. Mit holprigen Klappern entfernte sich die Dose von dem Kicker, prallte von einem Autoreifen ab, dessen aufgebrochener und rissiger Gummi, das meiste seiner Sprungkraft verloren hatte seit er vor einer gefühlten Ewigkeit von seinem Auto abmontiert worden war, nur um niemals ersetzt zu werden.
Die Dose änderte ihren Kurs und prallte erneut gegen eine Wand, die Wand des Bahnhofs selbst, kratzte dabei ein paar Flocken trockener Farbe von einem hastig dahingesprühten Graffito. Seine Nachricht, rot auf grauem Beton war noch klar zu lesen. In riesigen Lettern stand „BEREUET! DAS ENDE IST GEKOMMEN!“ auf der Wand des Bahnhofs. Daneben war ein riesiges, blutfarbenes Kreuz geschmiert. Noch darunter schien es, dass der Verfasser der Mahnung noch weitere Worte auf die Mauer hatte sprühen wollen, als er bei seiner Arbeit überrascht worden war. Ein großer brauner Spritzfleck, gespickt mit schwarzen und grau-weißen Brocken überdeckte den Rest, schwarz-braune Schlieren führten zu dem was vom verhinderten Propheten übrig geblieben war. Ein Bündel Kleidung über einem eingesunkenen Körper dem der halbe Kopf fehlte.
Die Dose selbst traf kein Urteil darüber ob dieser wohl der Glückliche war, oder der Kicker der nun vergessen dem Klackern der Konserve folgte.
Den Mund halb geöffnet, die entblößten gelben Zähne gebrochen, braun befleckt von altem Blut eines ebenfalls vergessenen Opfers. Der Anzug des Kickers zunächst grau, später rot, jetzt farblos braun in Fetzen von seinem hageren Körper hängend.
Seine verbleibenden Eingeweide hingen in unförmigen Klumpen von seinem geöffneten Bauch und Brustkorb.
Angezogen vom Klackern der Dose auf ihrem Weg über den Platz war er nun zu einer endlosen, fruchtlosen Jagd verdammt.
In seinen milchig grauen Augen ein Schimmer von dem was die Welt einst war.
Für immer verloren das geschäftige Treiben der Menschen.
Für immer verloren die Suche nach Glück.
Für immer verloren die Jagd nach Perfektion.
Alles was bleibt, eine Jagd nach dem Geräusch, dem Ende.
Während die ersten Regentropfen fielen, rollte die Dose einen leichten Abhang hinab, ihr Verfolger schlurfend auf ihrer Ferse.
Einsam.
Vergessen.
Verloren.
30. Mai 2016
Mit Prompt von Jey. Thx
Montag, 30. Mai 2016
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